Mrz 162023
 

Nach dem Tod des Apostels Paulus standen die neu entstandenen christlichen Gemeinden vor einem Problem: Die Gemeinden wuchsen, jedoch fehlte die Autoritätsperson der ersten Jahre. Neue Entwicklungen hinsichtlich der Gemeindeleitung und der Einfluss von Irrlehren stellten die Gemeinden vor neue Herausforderungen. In dieser Situation bedurfte es aufrechter Führungspersönlichkeiten. Doch nach welchen Maßgaben sollte die Gemeindeleitung erfolgen? Der Erste Timotheusbrief versucht im Namen des Paulus Antworten darauf zu geben.

    Der Verfasser des Ersten Timotheusbriefes bezeichnet sich als „Paulus“. Inhalt, Stil und Wortschatz des Ersten Timotheusbriefes lassen aber äußerst unwahrscheinlich erscheinen, dass der Apostel Paulus den Brief verfasst hat. Täuscht der Verfasser des Briefes seine Adressaten, indem er so tut, als sei der Brief von Paulus verfasst worden? „Täuschen“ ist sicherlich der falsche Ausdruck. Vielmehr dürfte es dem Verfasser um die Bewahrung des paulinischen Erbes gehen. „Paulus“ steht also für einen Autor, der mit paulinischer Autorität schreibt und sich der paulinischen Theologie und Lehre verpflichtet sieht.

    Angesichts verschiedener Irrlehren musste sich das Christentum an die Theologie und Lehre einer maßgeblichen Autoritätsperson der frühesten Zeit rückbinden, um die Einheit zu wahren und auf dem rechten Weg zu bleiben. Paulus war von Jesus Christus selbst mit der Mission beauftragt worden und konnte insofern als maßgebliche Autoritätsperson gelten. Nach seinem Tod mussten seine „Schüler“ dafür sorgen, dass die paulinische Theologie und Lehre nicht in Vergessenheit geriet. Dabei reichte es nicht aus, nur auf die Briefe des Paulus hinzuweisen, denn neue Entwicklungen forderten aktuelle Antworten.

    Also schrieb „Paulus“ den Ersten Timotheusbrief als Aktualisierung der paulinischen Theologie und Lehre. Er schrieb diesen Brief an „Timotheus“. Timotheus war ein enger Mitarbeiter des Paulus. Allerdings haben wir davon auszugehen, dass zwischenzeitlich auch Timotheus verstorben war. Der Name „Timotheus“ stellt ebenfalls eine Rückbindung an die früheste Zeit des Christentums dar. Der Name „Timotheus“ dürfte stellvertretend für Gemeindeleiter, speziell Aufseher/Bischöfe, stehen. An diese richtet sich also der Brief.

    In einer Welt, in der der (verstorbene) Kaiser als Gott verehrt wurde, und in der es eine Vielzahl heidnischer Kulte gab, wirkte das Christentum wie eine schräge Philosophie, die sich um einen gekreuzigten politischen Aufrührer namens Jesus drehte . Aufgrund der Weigerung der Christen, den Kaiser und/oder sonstige Götter zu verehren, wurde das Christentum als Gefährdung des Heils des Römischen Reiches empfunden. Da sah sich „Paulus“ dazu genötigt, die Gemeindeleiter und auch alle anderen Christen zu einem gesellschaftskonformen Verhalten aufzufordern. Es war schon schlimm genug, dass die Christen wegen ihres Glaubens beargwöhnt und bedrängt wurden, da sollte die Lage nicht durch abweichendes Verhalten weiter verschlimmert werden. So sind die Anweisungen zu verstehen, die heute sehr konservativ, ja geradezu frauenfeindlich anmuten. Sie atmen den Geist der antiken römisch-griechischen Gesellschaft.

    Trotz dieses Geistes ist der Erste Timotheusbrief in seinen Aussagen aber doch auch sehr eindrücklich und aktuell. Angesichts zunehmender Machtfülle bei einzelnen kirchlichen Amtsträgern, nämlich den Aufsehern/Bischöfen, sah „Paulus“ die Gefahr des Machtmissbrauchs. Dieser Gefahr versuchte er mit Anweisungen zu entgegnen, die auch heute noch nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben und weiterhin als Maßgabe gelten können. Ein besonderes Gewicht misst „Paulus“ der Geldgier als „Wurzel allen Übels“ bei. Daher nehmen Aussagen, die sich mit dem rechten rechten Verhältnis zum Geld und darüber hinaus auch zum Genuss befassen, weiten Raum ein. Dabei ist unverkennbar, dass „Paulus“ einem pragmatischen Ansatz folgt: Er lehnt zwar Geldgier und übermäßigen Genuss ab, fordert aber keine radikale Askese wie manche Irrlehrer. Er fordert die Übernahme von Verantwortung und folgt dem Grundsatz, dass Reichtum dem Gemeinwohl dienen soll.

    Der Verfasser des Ersten Timotheusbriefs versteht sich als ein Glied einer Traditionskette: Der Apostel Paulus hat unverfälscht das Evangelium Christi verkündigt. Nach dem Tod des Paulus kommt es ihm als „Paulus“ zu, die paulinische Theologie und Lehre zu wahren und zu aktualisieren. Aber die Gemeinden sollen auch in Zukunft den paulinischen Geist atmen und nicht Irrlehren verfallen. Deshalb instruiert „Paulus“ den „Timotheus“, wie die Gemeindeleitung erfolgen soll. „Timotheus“ steht nicht nur für zeitgenössische Amtsinhaber, sondern auch für zukünftige. Mit jeder neuen Generation schließt sich ein neues Glied an die Traditionskette an. So soll das Christentum dauerhaft bis zur Wiederkunft Christi, deren Zeitpunkt nur Gott weiß, rein und unbefleckt bleiben.

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